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 die ewige schirmakazie

22/5/2016

 
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Here's about one of my pet peeves: The German obsession with acacias on the covers of books from or about Africa.

Mein ewiger Lieblingsaufreger.  Es muss im deutschen Buchhandel ein Gesetz geben, nach dem eine Akazie auf Büchern aus oder über Afrika zwingend vorgeschrieben ist.  Man müsste sich wegen des Mimosengewächses ja nicht so empfindlich anstellen. Nur: Der deutsche Hang zum Savannenbaum richtet literarische Flurschäden an.



Die ewige Schirmakazie
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Für mein Lieblingsbuch schäme ich mich ein bisschen. Verstehen Sie mich nicht falsch, "Don't Let's Go to the Dogs Tonight" ist eine der schönsten Kindheitserinnerungen der Welt. Die Autorin Alexandra Fuller wurde von Kritikern und Publikum als literarische Entdeckung gefeiert und mit Nadine Gordimer und Frank McCourt verglichen. Rücksichtslos ehrlich erzählt sie vom Aufwachsen mitten im Bürgerkrieg und von ihrer maximal sonderbaren Familie. Sie schafft es, Sie auf ein und derselben Seite zum Lachen und zum Weinen zu bringen. Sie schlagen das Buch zu und möchten es sofort noch einmal lesen. Das Problem ist bloß: Wenn Sie die deutsche Ausgabe sehen, möchten Sie es noch nicht einmal anfassen. Denn Alexandra Fullers Autobiografie spielt in Afrika, und bei in Deutschland erscheinenden Druckerzeugnissen aus oder über Afrika ist eine Akazie auf dem Titel zwingend vorgeschrieben. In möglichst schwülstiger Aufmachung, gern vor auf- oder untergehender Sonne und umgeistert von schemenhaft hereinwehenden Frauengesichtern. Es gibt da ein geheimes Gesetz, ich bin mir sicher.

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Zugeständnisse werden nur bei weltberühmten Autoren gemacht, die sich beim besten Willen nicht als Kitsch verkaufen lassen. Tania Blixens "Jenseits von Afrika" kommt  in der neuesten Ausgabe zwar nicht ohne Hülsenfrüchtler, aber zumindest ohne leidenschaftlich glühenden Himmelskörper aus. Die meisten anderen Ausgaben waren optisch auch jenseits von Gut und Böse. Selbst für den südafrikanischen Literaturnobelpreisträger J.M. Coetzee gibt es keine Ausnahme, doch bei ihm darf die Akazie dafür irgendwie anklagend verdorren.

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Ob es sich um eine Schirmakazie (acacia tortilis), eine Fieberakazie (acacia xanthophloea) oder eine Schreckliche Akazie (acacia horrida oder acacia karroo) handelt, ist egal. Die Schreckliche Akazie heißt übrigens nicht wegen ihrer penetranten Anwesenheit auf unseren Buchdeckeln so. Sondern wegen der furchterregenden Dornen, die V-förmig von ihren Ästen und Zweigen hervorstehen. Daß sie zum Symbol teutonischer Sehnsucht nach dunkel lockenden Afrikaklischees verkommen konnte, ist ja nicht ihre Schuld.
Große Literatur oder Kitschroman vor Steppenkulisse, Uwe Timm oder Corinne Hoffmann, uns ist alles Akazie.

Man müsste sich wegen des Mimosengewächses ja nicht so empfindlich anstellen. Nur: Der deutsche Hang zum Savannenbaum richtet literarische Flurschäden an. Alexandra Fuller und ihren herausragenden Büchern ist er zum Verhängnis geworden, und wer weiß wem sonst noch. Während "Don't Let's Go to the Dogs Tonight" im Rest der Welt ein Bestseller wurde, versenkte der deutsche Verlag dieses Juwel im Dornengestrüpp. Die Zielgruppe, die es sich in Erwartung einer Afroschmonzette à la "Rote Sonne, schwarzes Land" kaufte, wurde enttäuscht. Und Leser, denen Fullers wunderbare, hundertprozentig kitschfreie Memoiren gefallen würden, lassen wegen der Akazie und des doofen deutschen Titels "Unter afrikanischer Sonne" ganz die Finger davon.

Hat der Verlag daraus gelernt und Fullers zweites Buch, eine preisgekrönte Reportage über einen weißen Söldner in Simbabwe, anders gestaltet? Nö. Sehen Sie sich die beinahe identische Coverkatastrophe an. Unnötig zu sagen, daß auch für "Die Krallen des Löwen" die Akazien bei uns schlecht standen. Oh Verzeihung, die Aktien natürlich.

Um es mit J.M. Coetzee, einem Mit-Leidenden unterm Akazienbaum zu sagen: Es ist eine Schande.



(Erstmals erschienen im BÜCHER Magazin.)
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Update zu Alexandra Fuller: Ihr neuestes Buch (über ihre Mutter Nicola) wurde in der englischsprachigen Originalversion ebenso wie in der deutschen Ausgabe mit einem Foto aus dem Familienalbum der Fullers illustriert. Hier beide Versionen. Finde den Unterschied!
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