Mittagspause während einer Konferenz in Kampala. Mein Tischnachbar ist Anwalt. Er arbeitet für eine Organisation, die sich für Kleinbauern und andere einsetzt, die um ihr Land fürchten. "Landgrabbing" heisst das, ziemlich verbreitet: Reiche und Mächtige vertreiben die Armen von ihrem Land, stehlen ihnen ihren einzigen Besitz und damit meist auch die einzige Einnahmequelle. Sprich: Der Anwalt legte sich regelmäßig mit sehr einflussreichen, sehr skrupellosen Typen an. David gegen Goliath, so die Nummer. Nur dass Goliath irgendwann Männer mit Macheten schickte, oder Pangas, wie sie hier genannt werden. Sie lauerten dem Anwalt auf, als er nach Hause kam. Am Tor vor seinem Grundstück hielten sie ein Feuerzeug an den Tank seines Autos. Also stieg er aus. Der Anwalt sah, dass sein Wachmann tot auf dem Boden lag. Kehle durchgeschnitten. Drei Männer gingen mit Pangas auf ihn los. Der Anwalt wehrte einen Hieb auf seinen Kopf mit der linken Hand ab, hielt die Panga fest. Pangas sind scharf auf beiden Seiten, aber er hielt fest. Seine linke Hand wurde zerschnitten, aber nicht abgeschnitten. Er nahm dem Killer die Panga tatsächlich ab, während die anderen beiden weiter auf ihn eindroschen. Er schlug dem ersten Angreifer eine Hand ab, dem zweiten ein Ohr, dem dritten stach er mit dem Finger ein Auge aus. Die Typen rannten schließlich weg. Der Anwalt blieb acht Monate im Krankenhaus, wo sie ihn zusammenflickten. Die Narben an den Händen habe ich gesehen. Er weiss bis heute nicht, wer genau den Auftrag zu diesem Mord gab. Man hat die drei verhinderten Killer zwei Wochen nach der Tat verhaftet. Sie hatten versucht, ihre Wunden selbst zu versorgen. Irgendwann waren sie doch zu einem Doktor gegangen, der sie der Polizei meldete. Sie gaben nichts preis und starben mysteriöserweise kurz darauf alle gleichzeitig in ihren Zellen. Das alles erzählte der Anwalt mir und meinem Kollegen beim Mittagessen.
Er arbeitet jetzt wieder auf seiner alten Stelle, wo er weiterhin die Interessen der Machtlosen gegen die der Mächtigen verteidigt. Eine weitere Anwältin der Hilfsorganisation wurde auch überfallen, aber ungleich - wie soll ich es nennen - höflicher? In diesem Fall tauchten mehrere maskierte Männer nachts in ihrem Haus auf. Sie hatten sich einen Tunnel in die Garage gegraben. Garagen stehen hier oft auf unbefestigtem Boden. Von der Garage führte eine Tür ins Haus, durch die die Männer in den Wohnbereich kamen. Sie gingen ins Schlafzimmer der Anwältin, schoben das Moskitonetz zur Seite, setzten sich auf die Bettkante und weckten die Frau mit sanften Klapsen auf die Schulter. Nebenan schliefen ihre vier Töchter. Die Männer verlangten ihren persönlichen Laptop und alle Dokumente über alle ihre Fälle, die sie zuhause lagerte. Nachdem sie alles bekommen hatten, wiesen sie die Anwältin an, sich ruhig zu verhalten und ein bisschen zu schnarchen, damit die Töchter nicht geweckt wurden. Sie nahmen keine Wertsachen oder andere Privatgegenstände mit, nur das Telefon, damit niemand die Polizei rufen könnte. Das Handy wurde später ausserhalb der Grundstücksmauer gefunden, zerstört. Die Anwältin hat die Organisation danach verlassen. Was ich hundertprozentig verstehen kann. |