Vielleicht kennen Sie das auch, dieses vorfreudige Gefühl, wenn Sie ein Buch aufschlagen und schon den ersten Sätzen anmerken: Oh, das wird gut. Weil der Ton stimmt, weil da eine Musikalität ist, weil etwas originell klingt oder einfach nur echt. Das alles trifft auf „Asphaltseele“ von Gregor Weber zu. Er lässt seine Figuren drauflosquatschen, in Straßenslang zum Teil, in Dialekt, sogar in verschiedenen Dialekten. Das hört sich so einfach an, zählt aber zum Schwierigsten überhaupt: so zu schreiben, wie man spricht. Gregor Weber hat es gewagt, rotzig zu schreiben, in Slang und in Mundart. Das ist ein Wagnis, weil es ganz schnell peinlich werden kann, aber bei ihm ist es nicht nur absolut unpeinlich, sondern extrem unterhaltsam und glaubwürdig geworden. Der Mann war mal Tatortkommissar, aber er ist vor allem ein Schauspieler mit einer fundierten Ausbildung und einigem Anspruch. Er hat ein gut trainiertes Ohr für Sprache, und es ist ihm wichtig, authentisch zu klingen. Auf der Bühne, vor der Kamera – oder eben in seinen Texten. Das ist in „Asphaltseele“ besonders gelungen. Schauspiel gelernt hat Gregor Weber übrigens in Frankfurt, und da spielt „Asphaltseele“. Sehr liebevoll setzt der Roman die Stadt wieder auf die deutsche Krimilandkarte. Frankfurt ist da in letzter Zeit ein bisschen vernachlässigt worden. Dabei bildet der Gegensatz zwischen protziger Finanzwelt, feingeistigem Bürgertum und dem „Schandfleck“ Bahnhofsviertel ein Spannungsfeld, das wie gemacht ist für diese Geschichte, die eine düstere ist, denn „Asphaltseele“ ist ein Noir. Dieses Subgenre spielt üblicherweise in den Schatten, die die teuren Villen und Bankgebäude werfen, und es braucht gebrochene Helden. Womit wir bei der Hauptfigur wären: Bei Ruben Rubeck, Kriminalkommissar, aus dessen Sicht Gregor Weber diese Geschichte erzählt. Rubeck ist 47 Jahre alt, sieht aus wie 57 und fühlt sich manchmal wie 87, wie er selbst sagt. Er raucht und trinkt mit großer Ernsthaftigkeit und Disziplin, aber sein Ehrgeiz geht gegen Null. Seit 15 Jahren ist er Bulle im Frankfurter Bahnhofsviertel, wo er auch wohnt. Davor war er Soldat, aber darüber spricht er nicht so gern. In „Asphaltseele“ aber wird er daran erinnert, und auch wir als Leser erfahren mehr über Ruben Rubecks Einsatz im Kosovo und was das mit ihm gemacht hat. Sie ahnen es: An dieser Stelle wird der Noir noch ein bisschen schwärzer. Wie sollte es anders sein? Die beiden menschlichen Ausnahmesituationen Kriminalität und Krieg kommen hier zusammen. Gregor Weber versteht davon mehr als die meisten Schriftsteller, denn er war und ist auch Soldat bei der Bundeswehr, unter anderem im Kriegsgebiet Afghanistan. Aber zurück zu Ruben Rubeck. Das ist also ein kaputter Typ mit Gerechtigkeitssinn – ein Klischee im Kriminalroman, aber im Noir muss das so sein. Deshalb weicht Gregor Weber den Klischees nicht aus, sondern spielt mit ihnen. Rubeck trägt Schimanskijacke. Das wird nie explizit gesagt, aber wir erkennen es sofort. Natürlich scheint auch Kemal Kayankaya durch, der türkisch-frankforderische Detektiv von Jakob Arjouni, und Chandler und Hammett zwinkern sowieso die ganze Zeit im Hintergrund mit den Augen. Doch auf der anderen Seite bricht Ruben Rubeck auch das Klischee vom schroffen Typen mit dem goldenen Herzen, denn dieser Ermittler ist nicht durchgängig sympathisch. Da traut sich der Autor was, es ist ein Risiko, die Hauptperson auch mal als irrationalen Kotzbrocken zu präsentieren. Verlage denken nämlich oft, dass das Publikum sowas nicht aushält. Tut das Publikum aber doch, denn eine solche wirklich zwiespältige Figur ist umso spannender und glaubwürdiger. Erst recht, wenn einer wie Gregor Weber mit Hilfe dieser Figur so viel von der aktuellen Verfassung der bundesdeutschen Seele erzählt, die sich ja auch gerade zu verdunkeln droht. Darüber waren wir uns in der Crime Cologne Jury sehr einig, und wir wünschen uns alle, bald wieder von Ruben Rubeck zu lesen. „Asphaltseele“ ist rotzig, warmherzig und wahr. Und ein toller Auftakt zu einer Serie, die es wirklich geben sollte. Dafür bekommt Gregor Weber den Crime Cologne Award 2017 – herzlichen Glückwunsch! (Fotos von Claudia Ast) Comments are closed.
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