Als Juryvorsitzende freue ich mich, die Shortlist bekanntgeben zu dürfen. Der Gewinnertitel wird erst bei der Eröffnungsgala der Crime Cologne am 22. September gekürt. Aber hier sind sie, die drei besten deutschsprachigen Kriminalromane aus dem Zeitraum Herbst 2016 bis Mai 2017: Max Annas: »Illegal« (Rowohlt) Keine Papiere, keine Rechte – keine Zukunft? Der Historiker Kodjo kann nicht zurück nach Ghana, doch in Berlin darf er nicht mehr rechtmäßig bleiben. Getragen von einem Netzwerk von Freunden lebt er von Aushilfsjobs, in ständiger, bedrückender Angst vor Entdeckung. Als er Zeuge eines Mordes wird, kann er als Illegaler nicht zur Polizei gehen und entschließt sich, den Mörder selbst zu überführen. Damit wird Kodjo plötzlich selbst zum Gejagten, der in den Straßen der deutschen Hauptstadt um sein Leben laufen muss. Präzise und beklemmend, so spannend wie berührend schildert Max Annas einen Teil der deutschen Wirklichkeit, der den meisten unbekannt ist, und setzt dabei einen verstörenden Schlussakkord, den kein Leser so bald vergessen wird. Brigitte Glaser: »Bühlerhöhe« (List) Sommer 1952: Kanzler Konrad Adenauer, erschöpft von den Debatten um das sogenannte Wiedergutmachungsgesetz, flüchtet von Bonn auf die Bühler Höhe im Schwarzwald. Er ahnt nicht, dass in seinem Kurzurlaub ein Attentat auf ihn geplant ist. Diese Annäherung an die frühe Nachkriegszeit führt dem Leser eindrücklich und zugleich unterhaltsam die mühevollen und langen Geburtswehen der jungen Demokratie Westdeutschlands vor Augen. Der Roman verdeutlicht gleichzeitig, wie sehr auch Israel, vom Anbeginn seiner Existenz eng mit dem deutschen Schicksal verflochten, mit den Dämonen seiner Geschichte kämpfen musste – und es bis heute muss. Brigitte Glaser ist eine authentische und spannende Mischung aus Politthriller, Spionage- und historischem Roman gelungen. Gregor Weber: »Asphaltseele« (Heyne Hardcore)
Der Ton überzeugt von Anfang an. Straßenslang – und zwar gleich in mehreren Dialekten – authentisch und absolut unpeinlich hinzukriegen, ist ganz hohe Kunst. Gregor Weber, der auch Schauspieler ist, hat ein Ohr für Sprache. Sein neuer Held Ruben Rubeck, abgewrackter Bulle und Ex-Soldat, lebt und arbeitet, raucht und trinkt im Frankfurter Bahnhofsviertel. Sein Ehrgeiz geht normalerweise gegen Null. Aber als er auf dem Weg zu seiner Lieblingskneipe in eine Schießerei verwickelt wird, werden alte, längst verloren geglaubte Instinkte geweckt. Gregor Weber versucht erst gar nicht, den Krimiklischees auszuweichen, sondern spielt souverän mit ihnen. Und ein tolles Porträt von Frankfurt liefert er nebenbei auch noch ab. Rotzig, warmherzig, noir. Comments are closed.
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