Das neue Buch von Don Winslow ist da, weltweit am 22. Juni 2017 erschienen. "Wie 'Der Pate', nur mit Cops', so gut ist es", sagt Stephen King, und Lee Child nennt "The Force", wie der Dokuthriller im Original heisst, den "wahrscheinlich besten Bullenroman, der je geschrieben wurde". Soweit die Blurbs. Doch auch die amerikanische Literaturkritik fällt weitgehend positiv aus. Das deutsche Feuilleton dagegen ist etwas gespalten. Zu groß war vielleicht die Enttäuschung über einige der schwächeren Romane, die nach Winslows triumphalen Drogenepen "Tage des Todes", "Kings of Cool" und "Savages" erschienen waren. (Für mich war "Vergeltung" Winslows Tiefpunkt. Was ihn geritten hat, ein so waffenstarrendes, adrenalinbesoffenes Männerspielzeug zu schreiben, keine Ahnung. Eigentlich tickt der Mann anders.) Mit "Corruption" ist Don Winslow glücklicherweise wieder auf der Höhe. Diese Rezension für das Krimi-Spezial im Büchermarkt des Deutschlandfunks kann man hier nachhören. „Corruption“ lautet der deutsche (sic!) Titel von Don Winslows neuem Buch. Kein beinahe enzyklopädisches Werk über den Krieg gegen die Drogen diesmal, sondern ein lange und ausgiebig recherchierter Roman über die Polizei in New York. Und, so sagt der selbst in New York City geborene Winslow, DAS Buch, das er sein Leben lang schreiben wollte. New York City, 4 Uhr morgens. Wenn die Stadt, die niemals schläft, mal kurz die Augen zumacht. Denny Malone fährt langsam die Lenox Avenue hoch, das Rückgrat von Harlem. Hinter den Fenstern schlafen die Menschen, oder sie liegen schlaflos, träumen, oder träumen schlaflos. Manche turteln, manche streiten (…). Die einen wiegen ihre Kinder in den Schlaf, die anderen stehen schon auf, um sich in den nächsten Arbeitstag zu stürzen, und wieder andere hinter diesen Fenstern portionieren kiloweise Heroin und füllen es in Cellophantütchen, um den Junkies ihre Guten Morgen Dröhnung zu verschaffen. Natürlich spielt das Thema Drogen wieder eine Rolle in „Corruption“, die sind ja auch überall. Und ebenso wie die Drogenbehörde DEA kämpft die Polizei einen aussichtslosen Krieg gegen die Drogen. Aber das steht nicht im Mittelpunkt. Im Mittelpunkt steht Denny Malone, der sogenannte König von Manhattan Nord. Er ist kein Drogenhändler, jedenfalls anfangs noch nicht, sondern Cop. Mit dem es nicht gut ausgehen wird. Das ist sofort klar. Dass Denny Malone einmal im FBI Gefängnis Park Row landen würde, hätte wohl keiner für möglich gehalten. Eher der Bürgermeister von New York, der Präsident der Vereinigten Staaten, der Papst. Aber doch nicht Dennis John Malone. Hero Cop und Sohn eines Hero Cops. Altgedienter Detective bei der Manhatten North Special Task Force, der gefeierten Elitetruppe des NYPD. Einer der weiß, was alles hinter den Kulissen passiert, wer alles eine Leiche im Keller hat. Denn oft genug hat er mitgeholfen, sie zu verstecken. Hier ist er wieder, der Winslow-Ton. Kurze Sätze, Straßenslang, beißender Sarkasmus. Das Buch hat Tempo und Rhythmus - Winslow hört immer Musik beim Schreiben, diesmal wird es wohl NWA mit "Fuck da Police" gewesen sein. Und natürlich wurde "The Force" auch geschrieben, um direkt an Hollywood verkauft zu werden. Das liest man dem Buch schon an, aber geschenkt, der Unterhaltungsfaktor ist hoch, 544 Seiten rasen so weg. Ein Blockbuster über einen dirty cop und seine Kollegen. Es ist eine archaische Männergesellschaft, die porträtiert wird, voller Klischees und Stereotype. Die rassistischen Sprüche sind manchmal schwer auszuhalten, bilden aber nur die Realität ab. Winslow zeigt New York vor dem Hintergrund der Black Lives Matter Bewegung. Die Themen "Herkunft" und "Hautfarbe" durchziehen jeden Dialog und den gesamten Plot. Winslow zeichnet mit Denny Malone einen Antihelden, der sich im selben Geschäft sieht wie die Mafiosi und die Dealer, die Räuber und die Hehler, nur irgendwie anders, und der dabei bis zuletzt glaubt, zu den Guten zu gehören. Das ist das wunderbar Subversive an „Corruption“. Die meisten Menschen haben natürlich keine Ahnung, was alles so getan werden muss, damit sie sich sicher fühlen können. Und das ist auch gut so. Vielleicht meinen sie, sie müssten das wissen, aber in Wirklichkeit wollen sie das nicht. Don Winslow: „Corruption“. Aus dem Amerikanischen von Chris Hirte. Droemer Verlag München. 544 Seiten kosten 22 Euro 99.
Die ungekürzte Hörbuchversion, gelesen von Dietmar Wunder, erscheint bei Lübbe Audio. 3 DCs, 802 Minuten, 20 Euro Comments are closed.
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